Mümmelsteins Memorandum – Revolution und Kochduelle

Mümmelsteins Memorandum_0612_klein– Speis und Trank im Mittelalter

(Erschienen im Zillo Medieval Nr. 6/2012)

Ich esse gern, gut und leider oft viel zu viel. Es schmeckt eben. In meiner langen Zeit als Reenactor, LARPer und Spielmann sind mir schon so manche Experimente alter Küche untergekommen oder ich habe diese selbst unternommen. Das reicht von einer mittelalterlichen Hochzeitstafel, bei der die verschwenderische Verwendung von Ingwer das Motto der Speisen – aller Speisen, von Vorvorspeise bis Nachnachtisch – bis hin zu dem Versuch römisches Kochen zu imitieren. Und nein, ich spreche noch nicht von Selbstversuchen mit dem sagenhaften römischen Garum! Eingeweihte werden wissen, was ich meine. Während meines Studiums habe ich mich mit den Speisekarten der maximilianischen Fürstenhochzeit genauso auseinandergesetzt, wie auch mit den Sitten und Gebräuchen bei Hofe und Tisch. Alles in allem sehr spannend und meist auch, mal wieder, eher befremdlich für mich heutigen Menschen.

Die großen Herrschertafeln, ob antik, klassisch oder mittelalterlich zeichnen sich durchweg durch ein ungesundes Übermaß an Verschwendung in jeder Hinsicht aus. Daraus aber darauf zu schließen, dass der historische Mensch keinen Geschmack oder andere Geschmacksknospen auf der Zunge besaß wäre dennoch denkbar falsch. Wichtig an so einer völlenden Tafelei war für den geladenen Gast nicht was man aß, sondern dass man aß, und zwar im Glanz des Herrschers. Der Fürst, Potentat, kurz der Gastgeber, wiederum war dazu verpflichtet ein derartig ungewöhnliches Fest auszurichten, dass möglichst noch Generationen später von dessen Glanz, Prunk und Pracht gesprochen wurde.

Gemeinsames Essen war damals bis heute eine höchst gesellschaftliche und soziale Angelegenheit. Rangordnungen und Hierarchien wurden und werden dadurch gekennzeichnet. Wer den Kuchen anschneidet, das beste Stück bekommt, wem man wann etwas anreichen darf und wer schließlich die Zeche bezahlt, ist ein Zeichen von Status. Essen ist nach wie vor eine Brücke zu unseren Altvorderen.In der einschlägigen Literatur wird zum Thema Kochen und Nahrung immer davon gesprochen, dass es eine stetig Verbesserung vom Früh- über Hoch- zum Spätmittelalter gab. Wie so oft, wenn lediglich einzelne Zeitabschnitte der Geschichte betrachtet werden, mag das in sich stimmig sein. Außer Acht wird allerdings gelassen, dass es zuvor eine hervorragende Antike Küche gab und davor vermutlich auch einige weitere Hoch- und Tiefpunkte kulinarischer Art. Ab einer gewissen Entwicklungsstufe einer Gesellschaft, bei der Nahrung nicht mehr blankes Überleben bedeutet, werden sich automatisch Verfeinerungen der Küche und der Nahrungsaufnahme herausbilden. Dazu ist unser Körper meiner Meinung nach einfach zu sehr von seinem Dopamin-Kick abhängig. Unser körpereigenes Belohnungssystem sorgt dafür, dass wir positive Reize und damit ein einhergehendes Glücksgefühl unter anderem in Form von leckerem Essen erhalten. Da dieser Mechanismus vermutlich seit Urzeiten in uns funktioniert und keine Erfindung der Neuzeit ist, kann ich guten Gewissens behaupten, dass der Mensch schon immer versucht war, von Mammut bis molekularer Küche seine Nahrung zu verfeinern, um sich daran im weitesten Sinne zu berauschen.

medieval062012Heute boomen Kochsendungen wie nie zuvor. Köche geben ihren Senf zu allen möglichen gesellschaftlichen Themen ab, sind gern gesehene Gäste in Talkshows und müssen mehr zur Wahl des Bundespräsidenten sagen als dazu wie man ein perfekt wohlschmeckendes Stück Fleisch brät. Die Frage nach einer degenerierten Gesellschaft bleibt da wohl kaum aus, schließlich haben sich auch die Römer allem landläufigen Anschein nach ins historische Aus getafelt.

Ganz nebenbei frage ich mich immer wieder, woran es denn liegt, dass damals wie heute, der Beruf des Kochs eine ausgesprochene Männerdomäne ist. Es gibt mir viel zu wenige Sterne-Köchinnen auf dieser Welt. Warum ist denn kochen ab einem gewissen Grad an Expertise Männersache? Bestimmt nicht, weil Frau es nicht kann, war doch meine Oma die beste aller Köche.

Früher hieß es: „Fetter Bauch regiert nicht gern“, sollte es heute nicht eher heißen: Fetter Bauch wird gern regiert?

Heute scheint sich aber auch alles gedreht zu haben. Von einem heutigen Pfarrer soll das Zitat stammen: „Unsere Armen werden immer fetter und unsere Reichen hungern sich zu Tode“. Verkehrte Welt! Panem et Circenses von einst wird zu Systemgastronomie und Kochduell.

Shakespeare lässt Cäsar im ersten Akt zweite Szene zu Antonius sagen: „Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein.“, denn von ihnen geht für Cäsar keine Gefahr aus. Zumindest zu Shakespeares Zeiten war es wohl schon ein geflügeltes Wort, dass Völler schlechte Revolutionäre abgeben. Ich werde in Zukunft besser auf meine Ernährung achten…

Am besten werde ich wohl Kokovorist und nehme das nächste Schiff nach Kabakon.

Erstaunlich aber und dem Menschengeschlecht gut zu Gesicht stehend finde ich nach wie vor, dass man sich heutzutage mehr an Maximilians Hochzeit und damit seiner Tafel als an dessen Kriege erinnert. Irgendetwas hat er bei seinem „Perfekten Dinner“ wohl richtig gemacht.

Euer Falk.